Raumfahrer auf Abwegen

Um nach den Sternen zu greifen, muss er nicht ins All. Obwohl dies Jacek gut gefallen hätte. Als Kind träumte er davon, Astronaut zu werden. Auf dem Weg dorthin hatte er sich bereits intensiv mit der Astronomie beschäftigt und den nächtlichen Sternenhimmel mit dem Teleskop erkundet. „Physik und Technik haben mich schon immer interessiert. Als mir klar wurde, dass es mit der Astronautenkarriere nichts werden würde, habe ich mich entschlossen, Ingenieur zu werden“, erzählt Jacek.

Heute ist der 32-Jährige Head of Embedded Systems & Computer Vision/AI bei EDAG an den Standorten Lindau und Ulm, wo insgesamt 40 Softwareentwicklerinnen und -entwickler primär an Software für selbstfahrende Autos tüfteln. „Das ist alles hoch komplex, denn die Fahrzeuge müssen lernen, ihre Umgebung zu erkennen, zu deuten und je nach Situation eine passende Entscheidung zu treffen. Hier eröffnet uns AI – oder auf Deutsch ‚Künstliche Intelligenz’, KI – ganz neue Horizonte“, sagt Jacek.

FEUERPROBE BESTANDEN

Dass er sich heute mit großer Begeisterung auf solche anspruchsvollen Aufgaben stürzt, hätte er sich noch vor einigen Jahren wohl kaum vorstellen können. „Als ich an der Hochschule Darmstadt mein Elektrotechnik-Studium begonnen hatte, war dies für mich ein Weg voller Hürden & Herausforderungen. Ich hatte das Studium komplett unterschätzt und brauchte erst einmal eine ganze Weile, bis ich begriffen hatte, wie das funktioniert und wie ich mich dafür zu organisieren hatte.“ Erst dann habe er seinen Weg gehen können und sich mit aller Leidenschaft in die Themen Elektronik, Energie und erneuerbare Energie gestürzt. „Mir gefielen die ganz unterschiedlichen Projekte, die um technologische Lösungen für Zukunft kreisten, und vor allem die Teamarbeit“, sagt Jacek. Dies sei für ihn die perfekte Vorbereitung auf die Aufgaben bei EDAG gewesen.

Dass er nach dem Studium gleich in einem der heißesten E/E- und AI-Thinktanks landen würde, habe er auch nicht ansatzweise ahnen können. „Das war für mich so weit weg wie Astronaut zu werden. Irgendwo als Software-Entwickler anzufangen, schien mir schon wahrscheinlicher“, erinnert sich Jacek. Eine aussichtsreiche Bewerbung bei einem Unternehmen lief bereits, als mehrfach das Telefon bei ihm klingelte. Eine Nummer aus Ulm. „Ich erinnere mich noch genau. Es war Dienstag, der 9. September 2014. Viermal habe ich weggedrückt. Abends war ich dann aber doch neugierig und rief zurück“, erzählt Jacek. Am anderen Ende war Alexander, der begeistert davon erzählte, dass er gerade für EDAG die Abteilung E/E Embedded Systems aufbaue und dafür Leute suche.

„Zwei Tage später, am Donnerstag, war ich in Lindau zum Bewerbungsgespräch. Am Freitag, den 12., hatte ich den Vertrag und am Samstag, den 13. September 2014, stand ich schon mit meinem Koffer in Lindau. Meine Zukunft hatte begonnen – mit Höchstgeschwindigkeit auf der Überholspur“, berichtet Jacek.

MIT HIGHSPEED IN DEN JOB

Wie eine große WG

„Das war und ist alles total aufregend“, sagt er. „Wir haben vor vier Jahren zu Dritt in Lindau mit dem Aufbau des Teams angefangen und uns gleich in die Arbeit gestürzt. Heute sind wir zu Acht und wachsen wie ein Start-up immer weiter mit unseren Aufgaben.“ Gutes Teamplay ist Jacek, der seit 2016 Projektleiter ist, dabei besonders wichtig. „Dazu muss man ähnlich ticken und sich gut verstehen. Hier bei uns Lindau gelingt dies perfekt. Wir arbeiten ganz eng und vertrauensvoll zusammen. Das ist ein bisschen wie eine große WG. Ein Team um mich zu haben, das zusammensteht und mit all dem Enthusiasmus, Ausdauer und großer Fröhlichkeit gemeinsam herausfordernde Projekte angeht, freut mich immer wieder aufs Neue riesig. Da kann ich nur Danke sagen.“

Beobachten, führen, gewinnen

Dass er ein Team in einem Projekt führen, für die Sache begeistern und zu Gewinnern machen kann, hat Jacek schon an anderer Stelle ausgiebig bewiesen. Bevor es in den Beruf ging, hatte er in seiner Freizeit 15 Jahre als Tischtennistrainer gearbeitet und dabei dreimal die Woche bis zu 30 Kinder und Jugendliche im Alter von fünf bis 18 Jahren trainiert. „Das macht einen entspannt im Umgang mit unterschiedlichen Temperamenten. Und Erfahrungen mit Stress und Wettkampfsituationen sind im Berufsalltag auch ganz praktisch“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Dabei komme ihm entgegen, dass er als begeisterter Hobby-Fotograf gelernt habe, Mensch und Natur erst einmal genau zu beobachten und zu verstehen, bevor er sich ein Bild davon mache und ins kreative Ausgestalten komme.

Engineering über bestehende Denkhorizonte hinaus

Seit 2017 verantwortet Jacek zusätzlich den Aufbau des Innovationsbereichs Künstliche Intelligenz. „Ich bin fest davon überzeugt, dass AI ein Zukunftsthema ist, bei dem wir den Anschluss keinesfalls verpassen sollten. In Gesprächen spüre ich immer wieder, dass die Erwartungen an AI extrem hoch sind, im Automotive- genauso wie im Industrie- und Medizin-Sektor“, sagt Jacek. Die Integration von Künstlicher Intelligenz in unterschiedlichste Technologie-Konzepte passe für ihn ganz hervorragend zu EDAG. „Das ist Engineering über den bestehenden Denkhorizont hinaus. Dies hat EDAG in 50 Jahren immer richtig gut verstanden.“

Aber so sehr Künstliche Intelligenz auch in aller Munde sei, so sehr schlage ihr – wie so oft bei umwälzenden Neuerungen – auch viel Skepsis entgegen. „Was bringt AI überhaupt, vor allem zu welchem Aufwand und welchen Kosten? Da müssen wir immer viel Grundlagen- und Überzeugungsarbeit leisten und mitunter auch zu Botschaftende im eigenen Unternehmen werden“, sagt Jacek und fügt gleich hinzu: „Ich finde es großartig, dass wir dabei im Unternehmen eigentlich immer auch auf ein offenes Ohr treffen – dann liegt es ‚nur’ noch an uns, mit unserem Wissen und unseren Ideen zu überzeugen. Nur wer die Sterne sieht, kann auch auf den Weg machen, um nach ihnen greifen.“ Ein bisschen was von einem Astronauten steckt eben doch noch in Jacek, dem Visionär mit dem Hang zum Machen.

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